Seit Jahren eilt die Branche von einem Rekord zum nächsten. Im Jahr 2017 erarbeiteten die 800.000 Beschäftigten einen Umsatz von rund 113 Milliarden Euro. Ein Grund dafür ist die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Anlagemöglichkeiten sind rar und so flüchtet sich nationales wie internationales Kapital in Wertanlagen auf dem deutschen Immobilienmarkt. Die Folgen: Wohnraumkrise, Verdrängung von Arbeitnehmer*innen aus ihren Vierteln und soziale Spannungen, die rechten Hetzer*innen den Boden bereiten. 2017 zogen die Mieten in Berlin innerhalb nur eines Jahres um zwischen fünf und zehn Prozent an.
Profite für Spekulierende, Wohnungsprobleme für Durchschnittsverdienende
»Bauen, Bauen, Bauen«, so die Losung vieler Politiker*innen als Antwort auf diese prekäre Lage. Ein Grund zum Jubeln für die Bauindustrie und das Handwerk gleichermaßen, möchte man meinen. Allerdings scheinen die Arbeitgeber*innen, die einen entfesselten Baumarkt jahrelang forderten, nun Probleme zu haben, Preise am Markt durchzusetzen. Doch das kann nicht das Problem der Bauarbeiter*innen sein. Wenn die Arbeitgeber*innen mehr Gewinn erzielen möchten, müssen sie aufhören, sich gegenseitig zu unterbieten. Hört man ihr Jammern, möchte man meinen, man befinde sich wieder in den 90er Jahren, als die bisher schwerste Krise über die deutsche Baubranche hereinbrach. Reflexhaft reagierten die Arbeitgeber*innen damals auf die Forderungen der IG BAU indem sie erklärten, der Umsatz der Branche sei nicht gleichzusetzen mit dem Gewinn, und deshalb seien die Forderungen nicht zu bedienen. Das Angebot für die Bauarbeiter*innen im Westen damals war eine ausgesprochene Frechheit: 1,65 Prozent sollten sie hinnehmen, nachdem sie jahrelang aufgrund der »schlechten« wirtschaftlichen Lage auf bessere Zeiten vertröstet worden waren.
Nur Druck wirkt
Die Frage stellt sich also weiterhin: »Wann bekommen die Bauarbeiter*innen ihren Teil vom Mehrwert?« Offensichtlich sind es nicht die rhetorisch gut aufgearbeiteten und in sich schlüssigen Argumente, die höhere Löhne erzielen. Es bleibt dabei, dass sich Forderungen nur mit Nachdruck durchsetzen lassen. Die Antwort der Gewerkschaften damals war eine Streikdrohung. Diese Taktik hatte Erfolg: Die Arbeitgeber*innenverbände nahmen den Schlichterspruch an. Heute gibt es im Westen ein Plus von 5,7 Prozent und im Osten ein Plus von 6,6 Prozent.
Janosch Tillmann, Gewerkschaftssekretär der IG BAU Berlin