Seit etwa 30 Jahren steht das Haus in der Wipperstraße 5 fast leer, sagen langjährige Nachbarn. Eigentlich sind es drei Häuser – ein Vorderhaus und zwei Hinterhäuser, insgesamt wohl über 40 Wohnungen. Im hinteren Hinterhof gab es mal eine Autowerkstatt. Eine kleine Dea-Leuchtreklame hängt noch an der Straße über dem ebenfalls schon lange verlassenen Holzkohlen-Laden. Nur wenige Wohnungen, zumeist ganz oben in der fünften Etage, sind vermietet. Die Bewohner*innen beklagen, dass das Haus im Winter völlig ausgekühlt ist und sie mit dem Heizen nicht hinterher kommen. Das ist wohl ganz im Sinne des Eigentümers, denn so bleibt das Dachgebälk trocken und intakt.
Pure Provokation
Nebenan, in der Wipperstraße 6, befindet sich die Geschäftsstelle der Neuköllner LINKEN. Seit langem ist der Partei das benachbarte Geisterhaus ein Dorn im Auge. »Hier im Kiez ist günstiger Wohnraum Mangelware«, meint Sarah Nagel, eine der beiden Sprecher*innen im Bezirk. Viele Familien wohnten auf zu engem Raum, Kinder teilten sich zu dritt ein Kinderzimmer und Volljährige blieben bei den Eltern wohnen, weil sie keine Wohnung fänden, so Nagel. »So ein leeres Wohnhaus ist eine pure Provokation für alle, die unter der Wohnungsnot leiden.«
Henning Conle ist der Sohn des Duisburger SPD-Ratsherrn und Architekten Heinz Conle, der in den 50er Jahren mit dem Bau von 18.000 Wohnungen im Ruhrgebiet zum Multimillionär aufstieg. Die Aufträge bekam er offensichtlich dank dem roten Ruhrpott-Filz. Sohn Henning ist inzwischen in ein hochherrschaftliches Anwesen nach Zürich gezogen. 2015 belegte er auf der Liste der reichsten Schweizer Platz 128 mit einem Vermögen von etwa 1,25 Milliarden Schweizer Franken.
Das Phantom
Conle ist berüchtigt dafür, Häuser zu kaufen und vergammeln zu lassen. Wenn Mieter*innen wagen, sich zu wehren und zum Beispiel die Miete zu kürzen, werden sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unter Druck gesetzt, zum Beispiel mit Aushängen in den Treppenhäusern. In Hamburg sollen ihm in den 90er Jahren 2.500 Wohnungen gehört haben. Der Hamburger Verein »Mieter helfen Mietern« nannte Conle ein Phantom, das kaum jemand je zu Gesicht bekommen hat. Zusammen mit seinen Kindern soll er über ein undurchsichtiges Geflecht von Firmen herrschen.
2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung darüber, dass Conle mit einer in Liechtenstein registrierten Holding hochklassige Luxusimmobilien in London erworben habe. Hier spekuliert er natürlich nicht mit Leerstand.
In Neukölln gehört Conle auch das Haus in der Weisetraße 47, das seit einer Dekade leer steht. Zur Zeit wird es entkernt und aufwändig saniert, nachdem es in den letzten Jahren zahlreiche Proteste und Besetzungen von Nachbar*innen und Aktivist*innen gab. Günstiger Wohnraum und Platz für Familien wird hier jedoch nicht entstehen.
Großspenden für Rechte
Vor wenigen Tagen dann der Paukenschlag: Henning Conle ist eine Schlüsselfigur im Spendenskandal der AfD. Über Strohmänner und -frauen soll Conle den Rassist*innen Zigtausende Euro zukommen haben lassen. Auch für die Schweizer Rechtsaußen-Partei SVP habe Conle bereits gespendet.
Entscheidung in der Wipperstraße
Einen Milliardär, der die Nutzung von Wohnraum zwecks Spekulation blockiert und mit seinen Profiten auch noch den Aufbau von rassistischen und faschistischen Parteien finanziert, will man bei der Neuköllner LINKEN nicht in der Nachbarschaft haben. »Wir werden beim Bezirksamt noch einmal den Druck erhöhen, gegen Conle wegen Zweckentfremdung vorzugehen«, erklärt der Co-Sprecher Moritz Wittler und fügt hinzu: »Der Senat hat die Gesetze verschärft und Möglichkeiten geschaffen, solchen Spekulanten ihre Häuser abzunehmen. Der Stadtrat muss diese Möglichkeiten jetzt ausschöpfen.«
Geht es nach der LINKEN, sollen die Wohnungen so schnell wie möglich bezugsfertig gemacht werden – zu günstigen Mietpreisen. Und keinesfalls sollen die Mieteinnahmen in die Parteikassen von Rassist*innen und Nazis fließen. Der Kampf in der Wipperstraße geht auf die nächste Stufe.