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Hausmeister mit blauem Overall und roter Schirmmütze steht vor der Fritz-Karsen-Schule in Neukölln Credit: Jorinde Schulz

Arbeit & Soziales

»Das Ziel ist einfach: Saubere Schulen«

Schulhausmeister Detlef Bading setzt sich mit der der Initiative „Schule in Not“ für eine Verbesserung der Schulreinigung ein. Neuköllnisch hat mit ihm über die Wertschätzung von Arbeit und über die Zustände an Berliner Schulen gesprochen.

Detlef Bading ist Schulhausmeister der Fritz-Karsen-Schule, ehemaliger Elternsprecher und Gewerkschafter bei ver.di. Er hat lange auf dem Bau gearbeitet.

Jorinde Schulz

Die Initiative „Schule in Not“ hat ein Bürgerbegehren in die Wege geleitet. Was ist euer Ziel?

Das Ziel der Ini ist ganz einfach: Saubere Schulen. Das ist offenbar ein exotischer Wunsch – bis jetzt hat es noch niemand hinbekommen. Die Schulreinigung ist seit Jahren Dauerthema. Schüler*innen, Lehrkräfte, Hausmeister*innen, andere Beschäftigte, allen steht‘s bis sonstwohin. So kann es nicht weitergehen. Wir denken aber, dass es möglich ist, das Problem zu lösen: Wenn die Schulreinigung zurück in öffentliche Hand kommt.

Warum funktioniert die Schulreinigung so schlecht?

Das Problem hat viele Facetten. Aber es krankt schon an den Ausschreibungen für die Reinigung. Hier wird viel zu viel für zu wenig Geld verlangt. Die Reinigungsfirmen unterbieten sich außerdem gegenseitig. Das ist ein grundsätzlicher Fehler im System: Der billigste Jakob bekommt die Arbeit. Zwar wissen die Firmen, dass sie eine ordentliche Reinigung für das gebotene Geld eigentlich gar nicht leisten können. Trotzdem geht es aber um einen Riesenbatzen Geld. Da sagen sie schon mal: Nehmen wir erstmal das Geld und schauen dann, wie wir irgendwie zurechtkommen. Ich habe selber erlebt, dass Firmen ein Angebot abgeben, die sich das Objekt niemals angeschaut haben.

Wer ist verantwortlich für die Ausschreibungen?

Die Ausschreibungen macht der Bezirk. Aber in die Regel werden sie von Verwaltungsfachleuten geschrieben. Weder Reinigungsfachleute, noch Hausmeister*innen oder Elternsprecher*innen können dabei mitwirken. Wir haben die aktuellen Probleme immer wieder angesprochen, aber wir werden kaum gehört.

Wie ist die jetzige Situation der Reinigungskräfte?

Es kommt häufig vor, dass die Reinigungskräfte beispielsweise zwei Stunden bezahlt bekommen, aber vier Stunden arbeiten, damit sie das Gebäude auch nur einigermaßen sauber kriegen. Wir haben auch Beispiele von Reinigungsleiten, die von der Reinigungsfirma nicht mal Material gestellt bekommen. Von dem bisschen Geld, was sie bekommen, gehen sie selber zu Lidl und kaufen sich Putzmittel.

Generell ist es ein Problem, dass die Arbeit der Reinigungskräfte überhaupt nicht wertgeschätzt wird. Zum Beispiel ist es vom Bezirk nicht mal vorgesehen, dass ihnen an den Schulen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Wie stellt man sich das denn vor? Sollen die Menschen jeden Tag mit einem Rucksack mit ihren Putzmitteln kommen, die Schule putzen und dann alles wieder mitnehmen? Das funktioniert doch nicht. Jeder möchte, dass geputzt wird, aber keiner interessiert sich für die Menschen, die die Reinigung machen. Da kann man kein vernünftiges Ergebnis erwarten.

Welche Vorteile hätte eine Rekommunalisierung der Schulreinigung?

Wenn wir damit anfangen, die Reinigungsleute wieder fest anzustellen, dann fühlen sie sich auch der Schule verbunden, identifizieren sich mit ihr. So kenne ich es auch aus Gemeinden in anderen Bundesländern. Dort sind die Reinigungskräfte fest an der Schule und gehören zum Team. Zur Zeit ist es so: die Reinigungskräfte kommen lange, nachdem alle nach Hause gegangen sind. Sie werden zu keiner einzigen Veranstaltung eingeladen. Und leider muss ich sagen, dass es sowohl bei Schüler*innen als auch Lehrkräften so eine Mentalität gibt, dass alles hingeschmissen wird – denn das macht die Reinigung dann ja. Auch daran muss man arbeiten.

Ich bin in der Fachgruppe Schulen bei ver.di aktiv und stehe dort mit Hausmeistern von Regensburg bis Aurich, von Dresden bis in den weiten Westen in Kontakt. Die Erfahrung zeigt: Je weiter südlich die Gemeinde, desto eher wird die Reinigung in eigener Hand gemacht – und das zu aller Zufriedenheit. Je weiter nördlich und je weiter östlich jedoch, desto eher wird die Reinigung von Externen geleistet, und die Situation ist nicht tragbar. Deswegen kann ich mit Überzeugung behaupten, dass es sinnvoll ist, die Schulreinigung zu rekommunalisieren.

Ist Rekommunalisierung die einzige Möglichkeit, die Reinigung zu verbessern?

Ich denke ja. Denn es ist kaum möglich, eine Ausschreibung an Private so zu formulieren, dass man Tricksereien komplett ausschließt. Es gibt einfach viel zu viele schwarze Schafe an Firmen auf dem Markt, die nicht nur den Auftraggeber, sondern auch die eigenen Leute bescheißen. Denen ist alles egal, sie gehen über Leichen. Als Gewerkschaftsmitglied weiß ich, dass Leute in der Reinigungsbranche krass augebeutet werden. Es ist nicht alles perfekt im öffentlichen Dienst, aber zumindest werden die Leute anständig behandelt und ordentlich entlohnt. Und wer sich gut behandelt fühlt und gut entlohnt wird, der macht auch gute Arbeit.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Rekommunalisierung?

Der Bezirk hält uns vor, dass man nicht von einem Tag auf den anderen 180 Leute einstellen kann. In der Initiative ist es uns natürlich völlig klar, dass – im Fall einer Rekommunalisierung – nicht alles sofort von 0 auf 1 gedreht werden kann. Wir schlagen daher vor, dass man mit einem Verbund von zwei bis drei Schulen im selben Umfeld anfängt. Dort müsste man als ersten Schritt eine/n Reinigungsmeister*in einstellen, einen Fachmann oder eine Fachfrau also, die wirklich Ahnung hat und die das Personal einarbeiten könnte. In größeren Objekten bräuchte man außerdem Tagesreinigungskräfte, wie man das bereits in anderen öffentlichen Einrichtungen hat.

Ihr habt also noch einen weiten Weg vor euch?

Ja klar. Wie gesagt war ich auch lange im Vorstand der IG Bau. Ich kann mich entsinnen, das wir vor 15 oder 20 Jahren die gleiche Reinigungssituation im Bundestag hatten. Da gab es auch Leute, die drei Stunden bezahlt bekamen, aber sechs Stunden arbeiten mussten, um die Reinigung überhaupt leisten zu können. Das wurde irgendwann auch in der Gewerkschaft Thema. Aber die Leute hatten teilweise Angst, sich zu outen, oder sie waren keine Gewerkschaftsmitglieder. Auch jetzt haben die Leute Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Diese Angst ist aber unnötig, denn im Moment werden händeringend Leute gesucht. Tatsächlich sehe ich das Problem, dass wir, selbst wenn wir die Entscheidung treffen, wieder eigene Leute einzustellen, diese erstmal finden müssen. Denn die Einstellungsvoraussetzungen im öffentlichen Dienst sind doch andere als bei einer privaten Firma, wo es zum Beispiel egal ist, ob die Leute deutsch sprechen.

Würde eine Rekommunalisierung dann viele derjenigen die jetzt die Reinigung machen tatsächlich ausschließen?

Einige sicherlich. Aber ich werde mich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass wir die Ausschreibungen so gestalten, dass diejenigen, die jetzt die Schulen unter schlechten Bedingungen reinigen, sich auch für die neuen Stellen bewerben können. Im Reinigungsgewerbe arbeiten ja fast hauptsächlich angelernte Kräfte. Aber auch diejenigen, die gelernte Fachkräfte sind, warten schon auf eine Rekommunalisierung. Von ihnen höre ich: „Wenn der öffentliche Dienst jetzt endlich ausschreibt, dann würde ich sofort eine Bewerbung abschicken.“

Wie geht es weiter mit dem Bürgerbehren?

Das Bürgerbegehren wurde für zulässig erklärt. Nun müssen wir Unterschriften sammeln. Der erste Schritt sind 7.000 Unterschriften. Die bekomme ich allein an meiner Schule schon zusammen. Wir haben 1.250 Schüler*innen mit Eltern, die freuen sich alle schon und warten eigentlich nur auf den Startschuss. Nach meiner Wahrnehmung ist das an viele Schulen so.

Das Rechtsamt des Bezirks hat gesagt, dass ein Bürgerbegehren nur empfehlende Wirkung hat. Dagegen werden wir als Initiative rechtlich vorgehen. Wir haben uns aber dazu entschieden, parallel zu arbeiten, sprich nach den Sommerferien mit der Unterschriftensammlung zu beginnen und gleichzeitig den Rechtsstreit führen. Denn selbst bei einer Eilentscheidung wird dieser vermutlich etwas länger dauern. Wir haben aber keine Zeit, auf eine Gerichtsentscheidung zu warten, eventuell noch durch verschiedene Instanzen zu müssen, bevor wir Unterschriften sammeln. Dazu ist das Thema zu dringlich.

Die Initiative heißt „Schule in Not“. Geht es dabei nur um die Schulreinigung?

Das ist nur unser erster Schritt. Die Initiative verfolgt auch weitere Projekte. Generell geht es uns um die Arbeitssituation an den Schulen, denn die ist ja nicht nur für Reinigungskräfte schlecht. Bei den Lehrer*innen gibt es ebenfalls eine Überlastung.

Außerdem sind die baulichen Zustände an den Schulen katastrophal. Auch wenn da jetzt viel Geld reingesteckt wird, reicht es bei Weitem nicht. In der Fachgruppe Schule bei ver.di habe ich mich mit einem Hamburger Kollegen unterhalten. In Hamburg sind alle Schulen durchsaniert, trotzdem werden 350 Millionen pro Jahr in deren baulichen Unterhalt gestekct. Berlin hat seine Schulen nicht saniert, und hier werden aktuell 440 Millionen pro Jahr in den baulichen Unterhalt gesteckt. Allein der Vergleich dieser beiden Zahlen verdeutlicht schon das Ausmaß der Katastrophe.

Ich habe versucht, als Verdi-Mitglied in die Schulbauoffensive reinzukommen. Da kümmern sich 50 Leute um den Neubau von Schulen, aber es ist nicht ein einziger Praktiker dabei. Kein Schulhausmeister, keine Schulsekretärin. Das ist ein allgemeines Problem. Wir haben also viel zu tun!

Danke für das Gespräch.

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