Wohnungsmangel, Wuchermieten und immer aggressivere Verdrängung bedrohen inzwischen nicht mehr nur die Existenz von Geringverdienern, sondern betreffen längst den Großteil der Bevölkerung in der Hauptstadt. Immer weniger Berliner*innen wollen sich das gefallen lassen - und sind bereit, mit harten Bandagen zu kämpfen. Zehntausende haben sich an Großdemos beteiligt, eine unüberschaubare Zahl von Mieter-Initiativen mischt die Kieze auf und das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ schlägt bundesweit Wellen. Alles zusammen setzt die Politik unter Handlungsdruck.
Nach wochenlangen, von koalitionsinternen Debatten und Widerständen begleiteten Verhandlungen hat der Berliner Senat am 18. Juni ein Eckpunktepapier der Stadtentwicklungsverwaltung unter Katrin Lompscher (DIE LINKE) zum sogenannten Mietendeckel beschlossen. Der Entwurf der Landesregierung legt in einem für Deutschland einzigartigen Vorstoß fest, dass von nun an die Mieten in allen Bezirken Berlins für 5 Jahre eingefroren werden sollen.
Zeit zum Durchatmen
Für ca. 1,5 Millionen Berliner Wohnungen würde der Deckel einen zeitweiligen Schutz gegen Mieterhöhungen bedeuten. Die Berliner Mieter*innen hätten also endlich einen Moment, um durchzuatmen. Familien könnten nach einem größeren Zuhause, ältere Paare nach kleineren Wohnungen suchen, ohne mit astronomischen Mieterhöhungen rechnen zu müssen. Lediglich erstbezogene Neu- sowie Sozialbauten und Mieten der wenigen privaten Eigentümer, die nicht mehr als 2-3 Wohnungen besitzen, sind von dem Entwurf ausgeschlossen.
Doch nicht nur individuelle Erhöhungen würden unterbunden. Auch eine allgemeine Maximalkaltmiete soll in dem von Senatorin Lompscher als „Mietpreisbremse plus“ bezeichneten Gesetz nun verbindlich festgelegt werden. Wer mehr bezahlt, kann demnach eine entsprechende Senkung anfordern. Modernisierungsmaßnahmen hätten in Zukunft als beliebtes Mittel, um Mieten in die Höhe zu treiben, gleichermaßen ausgedient: Jeder sanierungsbedingte Preisanstieg über 50 Cent pro qm ist dann auf Bezirks- und Landesebene genehmigungspflichtig.
Immobilienlobby wehrt sich
Ein einschneidender politischer Wandel, der erwartungsgemäß von Opposition und Immobilienlobby scharf verurteilt, sogar als verfassungswidrig eingestuft wird. Auch in der SPD gibt es Kräfte, die eng mit dem Berliner Immobilienfilz verwoben sind und versuchen, den Mietendeckel zu torpedieren. Tatsächlich müssen die Details zu allen rechtlichen Fragen nun vorerst ressortübergreifend geprüft und letztendlich vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden. Doch der Druck steigt bereits enorm: Die Aktienkurse großer Wohnungseigentümer fallen, mit einem Rückzug von finanzstarken Investor*innen ist zu rechnen.
Die Deutsche Wohnen, reagiert unter dem großen Zugzwang mit einem taktischen Manöver: Sie schlägt vor, sich für die selbe Zeit zu einem eigens entworfenen, solidarisch organisierten Mietendeckel selbst zu verpflichten. Kein Haushalt soll mehr als 30% seines Einkommens für die Mietkosten verwenden müssen, außerdem ist ein festes Kontingent an Sozialwohnungen geplant. Viel mehr als sich auf das neu gefundene Verantwortungsbewusstsein Berlins größter Vermieterin zu verlassen, hätten Bürger*innen jedoch kaum in der Hand. Denn eine gesetzlich bindende Regelung würde mit dieser vermeintlichen Lösung komplett übergangen: Reguliert der Senat das Mietrecht selbst und greift in das Vorgehen der DW ein, kann die Verpflichtung jederzeit zurückgezogen werden, so droht das Unternehmen.
Nächste Schritte
Kritische Stimmen meinen, das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen würde obsolet, wenn das Gesetz des Senats tatsächlich greift. Doch der Mietendeckel kann nur eine vorübergehende Lösung bringen - erst durch Rekommunalisierung von Wohnraum und die Forcierung landeseigener Bauvorhaben kann ein dauerhafter Schutz gegen Wohnungsnot und steigende Mieten gewährleistet werden. Wenn die Berliner Immobilien durch den Mietendeckel an Wert verlieren, wird die Enteignung zudem einfacher und günstiger.
Der Entwurf des Mietendeckels ist ein erster wichtiger Schritt. Doch es gibt nach wie vor erheblichen Widerstand. Darum muss weiter mit vollem Einsatz gekämpft werden – auf Großdemos, in Mieter-Initiativen und mit Volksbegehren wie Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Der Kampf lohnt sich: Die Aussichten, dass wir uns gemeinsam die Stadt zurückholen, standen selten so gut.