Der Karstadtbau steht unter Denkmalschutz: nicht nur das historische Fassadenrelikt, sondern gerade auch die moderne Nachkriegsarchitektur von Alfred Busse, die das heutige Erscheinungsbild gegenüber dem Hermannplatz ausmacht. Die Distanzierung von der einschüchternden Monumentalität des Ursprungsgebäudes bei Beschränkung auf vier horizontal organisierte Geschosse war und ist gültiges Programm.
Heute hat der Bau wieder ein der Platzgröße entsprechendes menschliches Maß. Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs sowie Konsumgütern wird durch eines der größten deutschen Kaufhäuser nachfragegerecht erbracht. Weder eine – mit Entlassungen von Mitarbeiter*innen einhergehende – Verringerung der Angebotsfläche, ein Ausbau zum Shopping-Center, noch eine Neuorientierung auf ein höherwertiges Angebot sind wünschenswert.
Zwar liegt das Grundstück auf der Kreuzberger Seite des Hermannplatzes. Neukölln wäre von dem Bauprojekt aber mehrfach betroffen:
Bei einem Neubau drohen Überkapazitäten und lokal steigende Gewerbemieten im Bestand. Die negativen Auswirkungen auf den zentralen Neuköllner Wirtschaftsstandort Karl-Marx-Straße sowie den kleinteiligen vorwiegend migrantisch geprägten Handel zum Beispiel am Kottbusser Damm wären gravierend. Wir wollen diese Arbeitsplätze nicht verlieren.
Der Aufwertungsdruck in den angrenzenden Wohnquartieren würde sich durch eine verstärkte Spekulation mit Wohnhäusern samt steigenden Mieten weiter zuspitzen. Ein von Friedrichshain-Kreuzberger Seite ins Spiel gebrachter – vom Investor Benko auszustattender – Fonds, der einzelne Hausaufkäufe durch Bezirke ermöglichen würde, könnte nur eine Nothilfe sein.
Ein angeblich bauökologisch motivierter Abriss und Neubau des Bestandsgebäudes kann durch eine ressourcenschonende energetische Ertüchtigung abgewendet werden. Nach dem 20 Jahre zurückliegenden letzten Umbau ist der Investor auf ein fundiertes ökologisches Modernisierungskonzept zu verpflichten.
Zusätzliche Brisanz erhält Benkos Vorhaben durch seine Unterstützung rechtskonservativer Politik in Österreich. Ein solcher Investor erscheint für massiv von Verdrängung betroffene und multikulturell geprägten Bezirke in Berlin nicht tragbar.