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Direkte Demokratie

Wie das Tempelhofer Wiesenmeer gerettet wurde

Fünf Jahre Rettung des Tempelhofer Wiesenmeers. Das war ein guter Grund, am 25. Juli mit Musik und Picknick zu feiern. Im Mai 2014 hatten 739.124 Berlinerinnen und Berliner im Volksentscheid dafür abgestimmt, dass das Tempelhofer Feld vor Bebauung geschützt wird. Der konkurrierende Gesetzentwurf von SPD und CDU wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. In Neukölln stimmten 74,4 Prozent für das Gesetz der Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld, zugleich lehnten 70,6 Prozent den Gesetzentwurf von SPD und CDU ab.

Mit dieser krachenden Niederlage hat sich die SPD bis heute nicht abgefunden. Auch 2019 wird die Bebauung des Tempelhofer Feldes wieder ins Gespräch gebracht. Begründung: die „Wohnungskrise“. 2016 war es die „Flüchtlingskrise“. Und wieder werden passende Umfragen aus dem Hut gezaubert.

Der ehemalige Tempelhofer Flughafen ist mit 386 ha die größte Freifläche inmitten der dicht bebauten Stadt und damit für Immobilieninvestoren schon lange Ort der Begierde. Als am 31. Oktober 2008 der Flugbetrieb endgültig eingestellt wurde, schien ihre Stunde gekommen zu sein. „Nachnutzung“ war das Zauberwort. Ein Masterplan der SPD-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aus den 1990er Jahren wurde hervorgeholt. Investoren und ihre Lobbyorganisationen zeigten Interesse und fanden im Senat offene Türen. Jedoch, es regte sich Widerspruch, vor allem in den angrenzenden Wohngebieten, weil steigende Mieten befürchtet wurden. Die Berliner*innen wollten das Feld, von dem sie so lange ausgesperrt waren, selbst nutzen. Am 8. Mai 2010 wurden die Tore geöffnet, der Zuspruch war überwältigend. Schnell wurde vom Senat ein Architektenwettbewerb initiiert, um gegenzusteuern. Ohne Erfolg. Die Internationale Gartenbauausstellung wurde für 2017 auf das Feld eingeladen, musste aber nach Protesten nach Marzahn verlegt werden.

Im September 2011 bildete sich die Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld, um das Feld dauerhaft vor Bebauung zu schützen. Nach ausführlichen Diskussionen startete im Herbst 2012 das Volksbegehren, das mit dem Volksentscheid im Mai 2014 erfolgreich abgeschlossen wurde. Das Wiesenmeer war gerettet. So schien es, bis der damalige SPD/CDU-Senat bereits im November 2015 die Initiative zur Änderung des THF-Gesetzes „zur befristeten Aussetzung des Verbots der Bebauung des Tempelhofer Feldes“ startete. Begründung: Unterbringung von Geflüchteten. Und wieder geisterte der alte Bebauungsplan herum. Politische Proteste erreichten für die Senatspläne eine räumliche und zeitliche Befristung bis Ende 2019.

Der erfolgreiche Volksentscheid 100% Tempelhofer Feld ist ein Beispiel dafür, wie Initiativen der direkten Demokratie zu einem festen Bestandteil der Stadtpolitik geworden sind. Im Jahr 2006 hatte die damalige rot-rote Koalition die entsprechenden Instrumente auf Landes- und Bezirksebene ausgebaut und die Hürden deutlich abgesenkt. Die SPD hat aber offenbar noch immer Hemmungen, damit umzugehen. Vom SPD-Innensenator wird nichts unversucht gelassen, um direkter Demokratie Steine in den Weg zu legen: Jüngst erst dem Volksbegehren für gesunde Krankenhäuser – oder dem Neuköllner Bürgerbehren für die Rekommunalisierung der Schulreinigung Hierzu gehört auch der erneute Versuch von SPD-Politiker/-innen, das THF-Gesetz durch neue Bebauungspläne auszuhebeln.