Ruhiger ist es hier und grüner als im Norden Neuköllns. Deswegen entschieden sich Münevver Cansever und ihr Ehemann, nach Gropiusstadt zu ziehen, als sie von einer freien Wohnung in der Lipschitzallee hörten. Das war im Jahr 1999. Aufgewachsen war Münevver im Norden des Bezirks, direkt am Hermannplatz. Dort besuchte sie die Hobrechtschule und die Otto-Hahn-Oberschule. Ihren Mann, der in der Schweiz lebte, hatte sie im Sommer in der Türkei kennengelernt. Kurz nach ihrer Heirat ging es in die Gropiusstadt. Heute haben sie drei Söhne. Der Älteste ist 19 und macht eine Ausbildung, die anderen zwei gehen noch zur Schule.
Münevvers Mann ist Taxifahrer. Selbst hat sie ein langes Berufsleben hinter sich. Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur Kleidungsschneiderin und begann bald, in einer Textilfabrik zu arbeiten. Die zum deutschen Escada-Konzern gehörende Firma »Neumann Blusen” unterhielt damals eine Schneiderei am Sachsendamm. Berliner Schneider*innen stellten hier am Fließband Kleidungsstücke her. Münevver war für die Musterkarten zuständig. Doch im Jahr 1999 wurde die Schneiderei in Berlin geschlossen – der Konzern hatte Verluste gemacht und lagerte die Produktion aus. Einige Jahre gab Münevver Nähkurse, bis sie ihre heutige Beschäftigung fand: als Hauswirtschafterin in einer Kita.
In der Gropiusstadt fühlt sich Münever Cansever wohl, auch wenn der Stadtteil heute ein bisschen weniger ruhig ist als früher. Der Zusammenhalt im Haus ist gut, man kennt sich untereinander. Dass sie nun eine Modernisierungsankündigung mit einer Mietsteigerung von 230€ bekommen hat, macht ihr Sorgen. Sie weiß nicht, wie das finanziell gehen soll. Und selbst wenn sie sich woanders umschaut – ob sie da etwas zu einem vergleichbaren Preis finden kann, weiß sie nicht. Ihr Herz sagt nein, zum Wegziehen. Schließlich wohnt sie hier seit fast 20 Jahren.