Vorangetrieben durch die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther sind Betrieb und Instandhaltung der Netze »Nord-Süd« und »Stadtbahn« in den Ring eines 8 Milliarden schweren Bietverfahrens geworfen. Der dabei heraufbeschworene »echte Wettbewerb« ist de facto die temporäre Vergabe eines staatlichen Monopols – bei Verlagerung der Profite ins Private. neuköllnsch bringt einen kurzen Überblick über die drohenden Folgen einer Ausschreibung:
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Wiederkehrende Ausschreibungszyklen unterlaufen eine langfristige Beschäftigungsperspektive. Die Folge: Fachkräftemangel insbesondere im Fahrdienst. Hier gibt es sehr schlechte Erfahrungen in den Regio-Netzen anderer Bundesländer. Ausschreibungen erschweren gewerkschaftliche Organisierung massiv, denn durch lediglich 15-jährige Vertragslaufzeiten werden in absehbarer Zeit alle Errungenschaften wieder annulliert. Die Ausschreibung leistet so der Spaltung und Ungleichbehandlung verschiedener Beschäftigtengruppen Vorschub.
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Schlechtere Arbeitsbedingungen durch Tarifflucht sowie diverse Möglichkeiten zum Aufbau von Subunternehmerpyramiden. Die Übernahme aller Beschäftigten konnte in den Verhandlungen mit den Koalitionspartnern nicht gesichert werden.
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Vermeidbare neue Probleme im Betriebsablauf durch eine Vielzahl beteiligter Akteure in einem komplexen, einzigartigen Netz mit dichter Zugfolge. Durch die entstehenden Schnittstellen zwischen verschiedenen Betreiberfirmen werden neue Störpotenziale geschaffen.
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Privatisierung von Profiten in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Kein privates Unternehmen bewirbt sich auf eine öffentliche Ausschreibung, wenn es daran nicht verdient. Da durch die Zerschlagung des Systems viele Synergieeffekte verloren gehen, ist dies nahezu ausschließlich auf Kosten der Beschäftigten möglich.
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Kein Interesse des privaten Betreibers das Gesamtsystem aus volkswirtschaftlicher Perspektive – im Sinne des sozial-ökologischen Umbaus der Stadt – weiterzuentwickeln, z.B. durch Ausbau, Taktverdichtungen etc.
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Verlust öffentlicher Gestaltungsmöglichkeiten in der Daseinsvorsorge durch Bindung an langfristige Verträge mit Privaten bis in die 2050er Jahre. Die Corona-Pandemie hat noch einmal eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig öffentliche Infrastruktur ist. Dies gilt insbesondere für versorgungsrelevanten Bereiche zu denen auch der Nahverkehr gehört. Diese für 15 bzw. 30 Jahre aus der Hand zu geben, ist fahrlässig.
Es gibt verschiedene Lösungsvorschläge. Zum Beispiel könnten die Länder Berlin und Brandenburg mit der DB und der Bundesregierung über einen Einstieg in die S-Bahn GmbH verhandeln. Kontrollieren beide Länder die Gesellschaft, könnte ohne aufwändiges Ausschreibungsverfahren der S-Bahn-Betrieb direkt vergeben werden. Ernsthafte Verhandlungen über eine solche langfristig sinnvolle Lösung sind nie geführt worden. Laut einem Bericht des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur wurde in den letzten zehn Jahren nicht ein einziges Mal zwischen den beteiligten Akteuren gesprochen bzw. verhandelt. Das ist ein Skandal.
Für einen guten öffentlichen Nahverkehr muss das Ziel sein, dass die S-Bahn in einer Hand bleibt und dass sie gemeinwohlorientiert, im Sinne des sozial-ökologischen Umbaus Berlins, und ohne private Profite betrieben wird.