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Corona

»Wir haben uns gefühlt wie Tiere im Zoo«

Im Juni wurden mehrere Wohnblöcke in Neukölln unter Quarantäne gestellt. Im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit stand die Tatsache, dass dort Roma-Familien leben. neuköllnisch sprach mit einer Bewohnerin über ihre Erfahrungen. Sie möchte lieber anonym bleiben.

Du durftest 14 Tage die Wohnung nicht verlassen. Wie ist eure Wohnsituation?

Es gibt hier viele Ratten. Niemand macht den vielen Müll weg. Die Tür hat kein Schloss, jede Person kann ins Haus. Es kommen auch Leute mit Drogen. Für unsere Kinder ist es hier nicht sicher. Wir haben dem Eigentümer und dem Bezirksamt mehrmals geschrieben. Niemand hat reagiert. Wir bezahlen unsere Miete und unsere Steuern. Aber wenn wir Hilfe brauchen, hilft uns niemand. Warum nicht? Weil wir Roma-Leute sind.

Und dann kam die Quarantäne…

Am ersten Tag waren über 20 Reporter bei uns in der Straße. Sat1, RTL, alle waren da. Die Situation war sehr schwierig für uns. Wir waren ja auch schon im Frühjahr wochenlang zuhause geblieben. Aber jedes Mal, wenn jemand von uns auf den Balkon ging, um mal frische Luft zu schnappen, waren da die vielen Kameras. Ein Journalist wollte mich unbedingt im Haus filmen. Er war sehr respektlos. Was gibt es so viel zu filmen? In unserem Haus haben sich Leute mit dem Virus infiziert. Wir haben uns an die Quarantäne gehalten. Das ist alles. Wir haben uns gefühlt wie unglückliche Tiere im Zoo.

Hatten sich alle im Haus mit Corona infiziert?

Nein. Ich kenne die genaue Anzahl in unserem Haus nicht. In einem anderem Quarantäne-Haus war am Anfang nur eine Familie positiv und trotzdem war das ganze Haus unter Quarantäne. Aber alle haben sich daran gehalten. Denn wir hatten alle Angst und wollten unsere Familien beschützen. Wir wollten auch, dass die Quarantäne vorbeigeht und wir nach zwei Wochen wieder Haus verlassen können. Außer dieser einen Familien hat sonst niemand im Haus das Virus bekommen.

Ein ganzes Haus war in Quarantäne wegen einer Familie?

Ja, nur eine Familie. Als die Leute nach zwei Wochen aus der Quarantäne kamen und hörten, dass nur eine Familie positiv war, waren sie sehr verärgert. Manche haben gesagt, sie glauben gar nicht, dass es Corona überhaupt gibt. Dass die uns nur schikanieren.

Welche Schikane meinst du?

An den ersten Tagen der Quarantäne haben sie im ganzen Haus Nahrungsmittel geliefert bekommen. Die waren fast alle abgelaufen. Das war unglaublich. Obst und Gemüse waren vergammelt. Sie haben kleine Kinder. Wir durften ja nicht zum Arzt gehen, wenn die Kinder Durchfall bekommen hätten. Dieser Rassismus hat die Leute verärgert. Wir haben keine Milch bekommen, keine Windeln. Wir durften nicht einkaufen, obwohl wir einen negativen Test hatten. Was sollten wir machen? Das war nicht richtig.

Ist der Rassismus durch Corona schlimmer geworden?

Diskriminierung gab es auch vorher schon. Roma werden anders behandelt. Wir haben im Fernsehen gesehen, wie Polizei und Behörden mit den Arbeitern in den Fleischbetrieben umgegangen sind. Von manchen haben sogar die Autos gebrannt. Sie sind legal zum Arbeiten hier, mit Vertrag. Auch hier bei uns haben Leute auf der Straße herumgeschrien und uns beschimpft. Das konnten wir in den Wohnungen hören. Was soll das? Wir haben das Virus doch nicht gemacht. Ich verstehe diesen Rassismus nicht.

Hast du Angst?

Ja. Die Leute hier in der Straße beobachten uns misstrauisch. Ein Friseur hat gesagt, er will uns Roma nicht in seinem Laden haben. Die Medien haben so schlecht über uns berichtet. Viele von uns trauen sich nicht mehr raus. Senat und Bezirksamt haben sich nicht für uns interessiert. Es gab Gerüchte, dass Nazis kommen würden und unser Haus anzünden. Ich habe zwei Nächte nicht geschlafen. Niemand beschützt uns, wir sind Roma.

Wie geht es weiter?

Ich will nicht zurück in meine Heimat. Eigentlich gefällt es mir hier in dieser modernen Stadt. Ich will hierbleiben, meine Kinder sollen zur Schule gehen. Aber mit dieser Diskriminierung und dem Rassismus weiß ich auch nicht, wie es weitergehen
soll.

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