Sieben Mal wurde die Damaskus-Konditorei in der Sonnenallee mit Nazisymbolen beschmiert. Im Juni brannte im Zusammenhang mit einer neuen Schmiererei außerdem ein in der Nähe parkender Transporter. In der selben Woche wurde ein weiteres Haus in der Wildenbruchstraße mit Hakenkreuzen und SS-Runen markiert. Auch hier war es nicht das erste Mal.
Sonnenallee, Wildenbruchstraße, Laubestraße: Die Ecke scheint sich als neuer Brennpunkt rechter Angriffe zu verdichten. Bereits im Dezember 2019 gab es hier NS-Graffiti und zerstochene Reifen. Neukölln ist Hotspot von Nazi-Angriffen. Laut einer Anfrage zweier Linke-Abgeordneter wurden in den letzten neun Monaten in ganz Neukölln insgesamt 137 politisch rechts-motivierte Delikte verübt. Dazu zählen gewalttätige Angriffe, rassistische und antisemitische Sprüche, Propagandadelikte, Bedrohungen, Beleidigungen, die Veröffentlichung von Feindeslisten im Internet.
Die jüngsten Angriffe passierten außerdem vor dem Hintergrund der Naziterrorserie mit Brandanschlägen und Morddrohungen gegen Antifaschist*innen. Gegen zwei der mutmaßlichen Täter, Sebastian T. und Tilo P., erhob die Staatsanwaltschaft Ende 2019 wegen Propagandadelikten Anklage, doch nach wie vor wurde niemand für die Anschläge zur Verantwortung gezogen. Die Forderung der Betroffenen nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss blieb bisher vergeblich. Die Ermittlungserfolge einer stattdessen eingesetzten Sonderermittlungsgruppe (BAO Fokus) sind spärlich. Für die technisch triviale Entschlüsselung einer Festplatte brauchte die Polizeigruppe über ein Jahr. Nach wie vor sind nicht alle 500 Menschen unterrichtet, die auf einer hierbei entdeckten Feindesliste standen.
Derweil häufen sich die behördlichen Skandale im Neuköllner Nazikomplex. Dass Polizei und Verfassungsschutz von der Überwachung des Linke-Politikers Ferat Kocak durch Sebastian T. und Tilo P. wusste und ihn dennoch nicht warnte, ist bereits seit einiger Zeit bekannt, ebenso wie das Treffen eines in einer Observationseinheit eingesetzten Neuköllner Polizeibeamten, Pit W., mit Sebastian T. Pit W. ist nicht der einzige Neuköllner Polizist mit Nazi-Verbindungen: Auch der Beamte Detlef M. wurde als Schnittstelle gen rechts entlarvt. Er hatte kurz nach dem Anis Amri-Attentat polizeiinterne Informationen an einen Chat von AfDlern und Neonazis weitergegebn, in dem auch der oben genannte Sebastian T. Mitglied war.
Angesichts der polizeilichen Verstrickungen mit Menschen aus dem Neuköllner Neonazimilieu ist es umso empörender, dass einige Polizeiquellen nach den jüngsten Vorfällen ohne jegliche Hinweise die Story in die Welt setzten, hinter den Nazi-Schmierereien gegen die Konditorei und das Wohnhaus stünden möglicherweise Täter aus dem Clan-Milieu. Der Reflex, bei rassistischen Angriffen nach Schuldigen aus der migrantischen Community zu suchen, weckt Reminiszenzen an den NSU-Komplex.
Die verschiedenen Enthüllungen machen die Forderungen nach einem unabhängigen, parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer dringlicher. Denn schon wenige Polizeikräfte mit Naziaktivitäten reichen, um den gesamten behördlichen Apparat zu einer schlimmen Gefahr für die Betroffenen zu machen.