Auch in der Berliner Polizei sind jetzt Chatgruppen aufgeflogen, in denen rassistische Inhalte geteilt wurden. Überrascht dich das noch?
Nein. Das ist symptomatisch und ein weiterer Beweis dafür, dass wir in der Berliner Polizei ein Problem mit Rassismus und faschistischem Gedankengut haben. Wer weiß, wie viele solcher Gruppen es gibt. Kürzlich haben rbb-Recherchen ergeben, dass Anfang 2018, fünf Tage nach dem Anschlag auf mich, einer der Beschuldigten zu einem Polizisten gesagt hat: »Wir wissen doch alle, wer die Autos anzündet. Sie wissen das, ich weiß das, alle anderen wissen das. Aber keiner kann es T. nachweisen.« Das wurde so festgehalten. Diese Neonazis in der Neuköllner Szene fühlen sich in der Umgebung von Polizeibeamten offensichtlich sehr sicher.
Obwohl es dieses Quasi-Geständnis gibt, ist nichts passiert?
Diese Aussage wurde nicht im Bericht der Sonderkommission Fokus erwähnt. War sie Bestandteil der Ermittlungen? Ich weiß es nicht. Wir Betroffenen haben immer das Gefühl, ins Leere zu laufen. Unsere Fragen werden nicht beantwortet.
Wie beurteilst du die jüngst vorgestellten Fokus-Ergebnisse?
Polizist*innen untersuchen Polizeiarbeit. Was soll man da erwarten? Es ist eine Rechtfertigung des eigenen Versagens. Die ganzen Skandale, die in den letzten Monaten und Jahren in den Ermittlungsbehörden aufgedeckt wurden, sollen damit übertüncht werden. Der Bericht soll den Eindruck vermitteln, dass wir der Polizei vertrauen können. Doch so baut man kein Vertrauen auf. Wir als Betroffene haben mit einer Erklärung geantwortet: Wir fordern nach wie vor eine parlamentarische Untersuchung des Versagens der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden und der politisch Verantwortlichen. So ein Untersuchungsausschuss würde die Aktenlage aus einer anderen Perspektive betrachten als die Polizei. Dort können auch zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt werden, die stärker unsere Sicht einbringen, wie zum Beispiel die mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus.
Das Abgeordnetenhaus hat noch immer keinen solchen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Wie kommt das bei euch Betroffenen an?
Ich finde das krass. Wir haben im Senat eine Koalition aus drei Parteien, die sich alle antifaschistisch verstehen. Trotzdem gibt es keine parlamentarische Untersuchung der Verstrickungen und Skandale. Wir verstehen nicht, woran es eigentlich scheitert. DIE LINKE hat das zweimal auf Parteitagen beschlossen. Aber es wird nicht durchgesetzt. Wenn wir uns schon beim Antifaschismus blockieren lassen und nicht vorankommen, was kann man dann von dieser Regierung überhaupt erwarten? Das ist eine katastrophale Situation für uns Betroffene, weil uns vermittelt wird, dass wir nicht vor Neonazis geschützt werden. Wir leben damit, dass jederzeit Nazis vorbeikommen und uns ermorden können.
Was würdest du erwarten?
SPD und Grüne haben schon verstanden, dass wir jetzt im Wahlkampf sind, und fordern vollmundig einen Untersuchungsausschuss. Aber an ihnen ist es bislang immer gescheitert. Es wäre wichtig, dass DIE LINKE da einen Schritt nach vorne macht und jetzt darüber abstimmen lässt. Zum Teufel mit dem Koalitionsvertrag, die anderen biegen sich den auch zurecht. Dann müssen die Koalitionspartner mal Farbe bekennen. Es geht hier schließlich um Verstrickungen zwischen Nazis und Staatsapparat. Wir wollen wissen, warum es nach elf Jahren Ermittlungen immer noch keine Ermittlungsergebnisse aber weiter Anschläge gibt.
Sogar in der Staatsanwaltschaft wurden jetzt Sympathien für die AfD öffentlich. Wieso bekommt eine linke Regierung den Rassismus im Staatsapparat nicht unter Kontrolle?
Ich kann mir das nur so erklären, dass die staatlichen Behörden ein Eigenleben haben, das nicht von den gewählten Politiker*innen kontrollierbar ist. Das sind gewachsene Strukturen. Dort sitzen Beamte zum Teil seit 30, 40 Jahren. Die sehen nicht ein, dass eine Senatorin oder ein Senator, die nach ein oder zwei Legislaturperioden sowieso wieder weg sind, ihnen ihren Job erklärt.
Vielen Dank für das Gespräch.