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Zwei Frauen stehen vor dem Neuköllner Krankenhaus und schauen entshclossen in die Kamera, im Hintergrund fährt ein Krankenwagen vorbei. Credit:

Arbeit & Soziales

»Die Warnstreiks haben den Leuten Mut gemacht«

Nachdem ihr 100-Tage-Ultimatum ohne ein akzeptables Angebot vom Arbeitgeber abgelaufen ist, wollen die Beschäftigten von Charité und Vivantes ab dem 23. August in den Streik gehen. Sie fordern einen Entlastungstarifvertrag für die Pflege und streiten dafür, dass das Personal bei den Tochterunternehmen die gleiche Bezahlung erhalten wie ihre Kolleg*innen, die direkt bei Charité und Vivantes angestellt sind. Zwei Aktive der Berliner Krankenhausbewegung erzählen, worum es bei der Auseinandersetzung geht.

Andrea Großmann, Beschäftigte in der Instrumentensterilisation, und Kamila Weiß, Reinigungskraft am Vivantes Klinikum Neukölln.

[UPDATE 20. August: Der Vivantes-Konzern hat vor Gericht einstweilige Verfügung gegen den Streik bei den Töchtern erwirkt, "solange nicht die Leistung eines Notdienstes nach den Vorstellungen der Arbeitgeberseite gewährleistet ist" (zitiert aus der Urteilsbegründung). In den Verhandlungen der letzten Wochen hatte gerade die Vivantes-Geschäftsführung die Verhandlungen um eine Notdienstvereinbarung blockiert. Obwohl verdi trotzdem zugesagt hatte, sich einseitig an eine Notdientsvereinbarung zu halten, wird nun mit dem Urteil das Streikrecht der Kolleg*innen angegriffen.]

Kamila Weiß ist Reinigungskraft. Seit 10 Jahren arbeitet sie im Klinikum Neukölln auf der Komfortstation. Angestellt ist sie bei VivaClean, einem Tochterunternehmen von Vivantes.

Andrea Großmann arbeitet für das Klinikum Neukölln in der Instrumentensterilisation. Sie ist bei VSG angestellt, ebenfalls ein Tochterunternehmen von Vivantes.

In den letzten Wochen habt ihr mehrfach gestreikt. Wie kam es dazu?

Kamila Weiß: Am 29. Juni war unser erster Streik. Wir haben dafür gestreikt, dass alle Mitarbeiter*innen der Töchter nach TVÖD, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, bezahlt werden. Nach fünf Verhandlungsrunden hatten die Arbeitgeber immer noch keine Angebote gemacht, deswegen hat bei Verdi entschieden: Jetzt wird es ernst.

Andrea Großmann: Der zweite, zweitägige Streik am 8./9. Juli war eine spontane Reaktion darauf, dass die Vivantes-Geschäftsführung die Verhandlungen über eine Notdienstvereinbarung abgebrochen hat. Daraufhin hat Verdi zu einem zweitägigen Warnstreik aufgerufen. Allerdings haben die Arbeitgeber durch eine einstweilige Verfügung erreicht, dass die Pflege nicht solidarisch mitstreiken durfte. Sie versuchen ganz klar, unser Streikrecht zu unterwandern.

Kamila Weiß: Ich finde das Verhalten der Geschäftsführung respektlos. 100 Tage sind genug, um ein Angebot zu machen. Sie lassen uns keine andere Möglichkeit, als in den Streik zu gehen.

Andrea Großmann: Bei den Labormitarbeiter*innen gab es nicht einmal Gespräche, da Vivantes und Charité die Verantwortung hin und herschieben. Aber Labor Berlin ist genauso ein Tochterunternehmen wie VSG und VivaClean, und mit unserem Druck wollen wir bewirken, dass auch sie mit in die Tarifverhandlungen einbezogen werden.

Was motiviert euch dazu, diese Auseinandersetzung zu führen?

Kamila Weiß: Es geht um sehr viel für uns. Die Differenz zwischen unserem Gehalt bei den Töchtern und dem Gehalt unserer Kolleg*innen bei Vivantes beträgt monatlich bis zu 900 Euro. Wir bekommen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, keine Zuschläge. Wir wollen alle einfach gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Unsere Arbeit ist sehr wichtig: Wir desinfizieren die Stationen, dazu braucht man Fachkenntnis und letzlich hängt der gesamte Krankenhausbetrieb davon ab. Aber niemand erkennt diese Arbeit an. Jedes Jahr wird die Belastung höher und die Zeit knapper. Teilweise haben wir nur 3-4 Stunden für die Desinfektion einer gesamten Station. Das ist fahrlässig. So können wir unsere Arbeit nicht ordentlich machen. Das führt dazu, dass niemand mehr angestellt wird und ständig Mitarbeiter*innen fehlen. So kann es nicht weitergehen.

Wie ist die Stimmung gerade unter den Beschäftigten?

Andrea Großmann: Am Anfang waren alle skeptisch. Sie hatten noch den 51-tägigen VSG-Streik vor drei Jahren in Erinnerung, dessen Ergebnis eher schwach war. Aber in den letzten Monaten hat sich die Stimmung ganz schön gewandelt. 90% der Leute sind nun streikbereit, viele sind dafür bei verdi eingetreten. Sie sagen: Wir müssen die Zustände jetzt ändern, und wir schaffen das auch. Die Warnstreiks haben den Leuten Mut gemacht. Wir sind stolz, dass wir die Stimmung gewendet haben.

Was erwartet ihr jetzt von Politiker*innen und Berliner*innen?

Andrea Großmann: Wir erwarten, dass sie sich mit Vivantes und Charité an den Tisch setzen, Druck auf die Geschäftsführung ausüben und Gelder freimachen. Es sollte in beider Interesse sein, dass sich da etwas tut. Denn Lohnunterschiede in einem Krankenhaus sind unmoralisch.

Kamila We:: Die Politiker*innen sollen endlich Druck machen, dass das Gespräch mit einem Angebot für uns auf den Tisch gelegt wird. Und die Berliner*innen sollen uns beim kommenden großen Streik unterstützen. Es ist in unser aller Interesse!

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