Mit einem sogenannten »Letter of Intent« (LOI), unterschrieben von den Berliner Senator*innen, hat die Signa Holding ihre Drohung wahrgemacht: Ohne Abriss keine Jobs. Bürgermeister Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) bekannten sich in dieser Absichtserklärung zu dem milliardenschweren Investitionsprojekt am Hermannplatz. Als Gegenleistung soll Signa drei bedrohte Karstadt Standorte temporär erhalten. Rund 600 Arbeitsplätze kommen somit als Faustpfand zum Einsatz, um das Zentrum Neuköllns radikal umzugestalten. Während Bezirksverordnete seit der Bekanntgabe im August protestieren, scheinen die Würfel für den Senat unter SPD-Führung bereits gefallen.
Benkos »Angebot« kam mit Wucht, jedoch nicht aus heiterem Himmel. Nachdem seine Verhandlungsstrategie in den Bezirksparlamenten scheiterte, war eine Intervention auf Landesebene abzusehen. Zwar schien der Bauplan im Schatten angekündigter Massenentlassungen noch heftigerer Kritik ausgesetzt. Doch gerade auf dieser Unverhältnismäßigkeit baut die Holding nun ihren Erfolg. So verteidigt Klaus Lederer (LINKE) den Deal damit, er habe »Jobs im Einzelhandel retten wollen, vor allem für Frauen im mittleren und höheren Alter.« Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh sieht durch die Vereinbarung »ganze Geschäftsstraßen und Arbeitsplätze gesichert«.
SPD unterstützt Signa-Pläne
Bezirksverordnete der Grünen und Linken reagierten hingegen mit einem Protestbrief, Parteichefin Katina Schubert (LINKE) sprach von »Erpressungsstrategien« des Konzerns. Auch Initiativen und Anwohner*innen zeigten bei einer Kundgebung am 2. September auf dem umkämpften Platz: Es besteht kein Vertrauen in einen Investor, dessen primäres Interesse nicht seinen Warenhäusern selbst, sondern der Spekulation mit den daran gekoppelten Immobilien gehört.
Als Reaktion organisierte die Fraktion der SPD Ende September eine Podiumsdiskussion zu dem Streitthema. Die »Debatte« erinnerte jedoch vielmehr an ein PR-Event zufriedener Geschäftspartner – darunter Signa-Manager Timo Herzberg, Bezirksbürgermeister Martin Hikel und der Regierende Michael Müller. Präsentiert wurde hier die Vision eines Nutzungsmix aus Shopping, Wohn- und Büroräumen, Gastronomie und anderen Einrichtungen, dessen Wirkung sich über den gesamten Platz und darüber hinaus erstrecken soll. Die Leitlinien für diese Transformation sollen nun in einem partizipativen Masterplanverfahren festgelegt werden - unter politischer Führung und Einhaltung der Unternehmensinteressen.
Keine Sicherheit für Karstadt-Jobs
Angesprochen auf die Zukunft des Warenhauses und die Sicherung der Arbeitsplätze während des Baus wollte Herzberg keine Versprechen machen, sondern blieb bei unverbindlichem Optimismus: Der Konzern sei saniert, die Miete des Standorts für einen begrenzten Zeitraum gesichert.
Was anschließend passiert, ist nicht absehbar. Dies betrifft nicht nur das Warenhaus, sondern den gesamten Platz und umliegenden Bezirk. Zum Schutz vor Verdrängung möchte die SPD Instrumente wie Mietpreisbremsen nutzen. Das Bauvorhaben und die »Entwicklung des Viertels« blockieren, das könne und möchte man jedoch auf keinen Fall. Jetzt dürfe es nicht mehr darum gehen, ob – sondern nur noch wann und wie gebaut wird, schloss Bürgermeister Müller unter Applaus.
Widerstand hält an
Der Widerstand auf Seiten der BVV, der Bürger*innen und Initiativen hält jedoch trotz aller Verheißungen für den Investor an. Die Dialoge gehen weiter, wenn auch unter massivem Druck. Was dabei in Vergessenheit zu geraten scheint: Der Letter of Intent selbst bleibt eine Empfehlung ohne Rechtsbindung, die Fraktionen des Bezirks behalten vorerst ihr Mitspracherecht. Um die Zukunft des Hermannplatzes wird weiterhin gekämpft. Und das mit härtesten Bandagen.