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Stromkasten mit zwei Plakaten des Bündnisses eine S-Bahn für alle, auf denen Schützt unsere S-Bahn steht. Im Hintergrund ein S-Bahnhof. Credit:

Stadtentwicklung

Linke Strategien gegen die S-Bahn-Privatisierung

Trouble bei uns in der LINKEN um die S-Bahn-Ausschreibung: Die Einen fürchten massive Verschlechterungen auf dem Rücken von Beschäftigten und Fahrgästen. Die Anderen sehen keine Alternative und wollen über die Ausschreibung Druck auf die Deutsche Bahn ausüben. Das sehen wir kritisch – und haben ein paar Argumente zu linken Strategien gegen Privatisierung gesammelt.

Plakate des Bündnisses Eine S-Bahn für alle

1) Was steht auf dem Spiel?

Der Senat hat zwei Teilnetze der Berliner S-Bahn zum europaweiten Wettbewerb ausgeschrieben. Das Ausschreibungsvolumen beträgt 8 Milliarden Euro. Die Bieter – private Eisenbahnunternehmen und internationale Staatskonzerne – können sich auf Betrieb und Instandhaltung sowie Wagenherstellung getrennt oder gesammelt bewerben.

2) Was ist strittig in der LINKEN?

Positiv bewertet die Ausschreibung niemand. Allerdings gibt es eine Debatte um die Frage, ob die Ausschreibung überhaupt vermeidbar ist. Immer wieder wird gesagt, dass laut dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen europaweit ausgeschrieben werden muss. Das stimmt. Allerdings schreibt das Gesetz nicht vor, wann genau eine solche Ausschreibung stattfinden und wie sie gestaltet werden muss. Das Bündnis eine S-Bahn für alle, das sich gegen die Ausschreibung ausspricht, argumentiert folgendermaßen: da die derzeitige Ausschreibung im Gegensatz zur Ringbahnausschreibung 2015 die reale Möglichkeit enthält, dass sich private Betreiber Teile der S-Bahn schnappen, ist sie verfehlt und muss sofort abgebrochen werden.

3) Gibt es Alternativen zu einer Ausschreibung des S-Bahn-Betriebs?

Ja! Die Länder Berlin und Brandenburg können den S-Bahn-Betrieb auch direkt vergeben – an ein landeseigenes Unternehmen oder an eines, an dem sie mehrheitlich beteiligt sind. Eine Lösung wäre es, als Gesellschafter in die S-Bahn-GmbH einzusteigen. Das ist die jetzige Betreiberin des Berliner S-Bahn-Systems und Tochter der bundeseigenen DB. Befürworter*innen der Ausschreibung innerhalb der LINKEN argumentieren, dass eine Ausschreibung Druck auf den bisher unwilligen Mutterkonzern DB ausübt, einen Einstieg der Länder Berlin und Brandenburg zu akzeptieren.

4) Kann die Ausschreibung ein Weg zur Direktvergabe sein?

Auch die Aktivist*innen im Bündnis Eine S-Bahn für Alle sehen den Einstieg des Landes Berlin in die S-Bahn GmbH als Möglichkeit, um eine Direktvergabe zu erreichen. Allerdings soll der Einstieg nicht Voraussetzung für den Abbruch der Ausschreibung sein. Wir finden, dass das riskant und verantwortungslos ist.

Denn erstens gilt: Seit über 10 Jahren haben keine Gespräche zur Berliner S-Bahn zwischen der Deutschen Bahn und den Ländern Berlin und Brandenburg stattgefunden. Es ist also derzeit völlig unklar, wie sich der Mutterkonzern DB zu einem Einstieg der Länder verhält.

Zweitens ist die Idee, über das Ausschreibungsverfahren Druck auf die DB auszuüben, „Russisch Roulette“. Denn die Logik dahinter bedeutet, dass private Unternehmen eine realistische Aussicht auf den Zuschlag erhalten. Damit wird aber eine schwer rückgängig zu machende Zerschlagung und Privatisierung riskiert. Mit linker Politik und Strategie hat dieser Weg wenig gemein.

Drittens ist es auch widersprüchlich: denn wenn das Ziel ist, der DB durch reale Chancen privater Anbieter Druck zu machen, müsste man die Ausschreibung durch beispielsweise niedrige Standards bei den Arbeitsbedingungen chancenreicher für Private gestalten.

5) Was wollen die Grünen mit der Ausschreibung?

Bessere Chancen für private Betreiber: Das ist das Ziel der Grünen Verkehrssenatorin Regine Günther: „Ziel bei dieser größten Ausschreibung in der Berliner S-Bahn-Geschichte ist ein effektiver Wettbewerb mit dem Ergebnis vernünftiger Preise bei dauerhaft guter Qualität.“, so heißt es in einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung. Unterstützt wird sie in dieser Argumentation von KCW, der Beraterfirma der Verkehrsverwaltung. Auch andere Grüne Politiker_innen sprechen im Zusammenhang mit der Ausschreibung davon, Monopolpreise durch die DB verhindern zu wollen, indem Konkurrenten der DB zum Zuge kommen.

Die Grüne Verkehrsverwaltung versucht dies über drei Stellschrauben:

  1. Bau von Werkstätten durch Steuergelder, die den Privaten über ein ÖPP-Verfahren für 15 oder 30 Jahre überlassen werden. Der Bau von Werkstätten ist so teuer, dass Private bis heute davor zurückgeschreckt sind.

  2. Der Kauf von S-Bahn-Wagen auf Steuerkosten, die ebenso über ein ÖPP-Verfahren für 30 Jahre an den jeweiligen Betreiber gegeben werden. Auch der Kauf von Wagen bedeutet eine riesige Investition, den private bis dato nicht eingehen wollten. Die Haltbarkeit von Wagen sind etwa 35 Jahre. Nach 30 Jahren sind die Fahrzeuge also quasi „abgefahren“ und dann kaum noch durch das Land selber nutzbar.

  3. Erhöhung der Fahrpreise, wie sie gerade mit Zustimmung der GRÜNEN Verkehrsverwaltung beschlossen worden, um höhere Einkommen für zukünftige Betreiber zu sichern.

Die Anzahl der privaten Mitbewerber wird steigen, je profitabler die Aussichten sind. Das bedeutet, je geringer die Verpflichtungen der Konzerne auf der einen Seite und je schlechter, die Arbeitsbedingungen und geringer die Löhne und je höher die Ticketpreise auf der anderen Seite, desto mehr Mitbewerber. Die Gefahr, dass die S-Bahn zerschlagen wird und private Betreiber zum Zug kommen, wird weiter steigen, wenn nach der kommenden AGH-Wahl nicht Grün-gefärbte neoliberale Politik im Senat betrieben wird, sondern schwarze, gelbe oder blaue. Die Ausschreibung ist und bleibt ein Spiel mit dem Feuer.

6) Welche Strategie wollen wir?

In den letzten 5 Jahren hat die S-Bahn GmbH jährlich rund 60 Millionen Euro als Gewinne an die DB abgeführt. Für uns ist klar, dass dieses Geld in Berlin bleiben muss, für den massiven Ausbau des Nahverkehrsangebotes, für gute Löhne und Arbeitsbedingungen und für sinkende Fahrpreise. Lehnt der Mutterkonzern DB einen Einstieg ab, so kann nur der Aufbau eines eigenen Landesunternehmens – oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts – die Alternative sein. Der Weg, über eine Ausschreibung Druck auf die DB auszuüben und somit zu einer Direktvergabe zu kommen, hat wenig mit linker Politik gemein. Verhandlungen mit Konzernen unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollte die LINKE ablehnen. Der Karstadt-Deal hat erst neulich gezeigt, auf welche skrupellosen Methoden kapitalstarke Investoren zurückgreifen. Mit dem Restrisiko einer Zerschlagung und Privatisierung bei der S-Bahn sollte die LINKE nicht spielen. Statt Tauschgeschäften, Klüngelrunden und Hinterzimmergesprächen im Senat, müssen wir als LINKE den geplanten Ausschreibungsprozess transparent machen und die neoliberalen Argumente der GRÜNEN in der Öffentlichkeit anprangern. Wir sollten auf Aufklärung der Bevölkerung, Selbstermächtigung der Berliner_innen und den öffentlichen Druck durch das Bündnis „Eine S-Bahn Für Alle“ setzen. Unsere Gewinn-Perspektive ist die Auseinandersetzung in der Stadt, auf der Seite der Beschäftigten, der Fahrgäste und des Klimas.

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