„Brigade Ehrhardt“? Ein merkwürdig klingender Name für einen militärischen Verband. Tatsächlich handelte es sich um ein vor allem aus Matrosen der kaiserlichen Marine bestehendes „Freikorps“ unter dem Kommando des Korvettenkapitäns Hermann Ehrhardt. Er bestand – wie alle Freikorps – aus freiwillig dienenden ehemaligen Offizieren, Matrosen und Soldaten, die durch den Krieg aus der Bahn geworfen worden waren. Jetzt dienten sie als Todesschwadronen gegen den „inneren Feind“, gegen alles, was politisch links war. Auch die „Brigade Ehrhardt“ war während der Novemberrevolution 1918 gebildet worden, um gegen die Arbeiter, Soldaten und Matrosen vorzugehen, die für demokratische und gerechte soziale Verhältnisse in der soeben gegründeten Republik eintraten. Allein mit dem Wechsel der Staatsform waren sie nicht zufrieden. Ihnen ging es darum, die Schlüsselindustrien, den Großgrundbesitz und die Banken zu sozialisieren. Außerdem forderten sie, die reaktionären Eliten in der Verwaltung und im Militär, in der Justiz und in der Polizei zu entmachten, die nach wie vor im Denken und Handeln der abgewirtschafteten Monarchie verhaftet blieben. Deren dominierender Einfluss wurde aber nicht gebrochen. Überall dort, wo Arbeiter, Soldaten und Matrosen für ihre Forderungen auf die Straße gingen, wurden sie nicht nur von regulären militärischen Einheiten, sondern von den so genannten Freikorps zusammengeschossen. Sie ermordeten im Januar 1919 auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die mit brutaler Gewalt handelnden Freikorps waren vom sozialdemokratischen Reichswehrminister Gustav Noske zu Hilfe gerufen worden, um einen angeblich drohenden „bolschewistischen Putsch“ abzuwenden.
Anfang des Jahres 1920 eskalierte die Situation. Die Regierung verlangte jetzt auf Druck der Siegermächte, die Mannschaftsstärke der Armee auf 100.000 Mann zu reduzieren und die Freikorps aufzulösen. Die große Mehrheit des Offizierskorps der Reichswehr und die Freikorps-Führer weigerten sich, diesen Befehlen nachzukommen. Stattdessen wurde unter Führung von Wolfgang Kapp und des Generals der Infanterie Walther von Lüttwitz beschlossen, unverzüglich einen bereits seit Längerem geplanten Putsch gegen die Reichsregierung durchzuführen. Die „Brigade Ehrhardt“ bildete die Speerspitze der aufständischen Truppen. Sie besetzte in Berlin Ministerien, Postämter, Bahnhöfe und wichtige Straßenkreuzungen.Überall in Deutschland sollten sich die Regierungen dem Kapp-Regime unterstellen, während die Reichswehr allein den Befehlen des Generals von Lütttwitz zu folgen hätte. Doch den Putschisten wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht. Am 13. März wurde der Generalstreik ausgerufen. Fortan standen „alle Räder still“. Selbst die meisten Beamten verhielten sich zu den Anweisungen der Putschisten abwartend oder weigerten sich, die Rechtmäßigkeit der Kapp-Regierung anzuerkennen. Die am 13. März nach Stuttgart geflohene Regierung konnte eine Woche später wieder nach Berlin zurückkehren. Der Putsch war wegen der einheitlich handelnden Arbeiterorganisationen – Gewerkschaften, SPD, USPD und KPD – kläglich gescheitert. Kapp floh mit dem Flugzeug nach Schweden, Lüttwitz versteckte sich nahe der tschechischen Grenze.
Doch die Gefahr war nicht vorüber. Die Anführer des Putsches wurden nicht vor Gericht gestellt, sie waren deshalb weiter aktiv, um neue Putschpläne zu schmieden. Als am 9. November 1923 der NSDAP-„Führer“ Adolf Hitler und der Weltkriegs-General Erich Ludendorff in München einen Putschversuch inszenierten, waren unter ihren Gefolgsleuten nicht wenige Männer, die dreieinhalb Jahre zuvor bereits in der Vorbereitung und Durchführung des Kapp-Putsches eine wichtige Rolle gespielt hatten.